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sabinehaenel

Die Schreihälse

Aktualisiert: 28. Juli

von Sabine Hänel



as Bild zeigt eine bunte und expressive Szene, die verschiedene Aspekte des Themas "Schreien" darstellt. Links ist ein riesiger, wütender Kopf mit weit aufgerissenem Mund zu sehen, aus dem ein roter, langer Hals entspringt. Der Hals schlängelt sich durch das gesamte Bild und verbindet mehrere Szenen miteinander. Im oberen Teil des Bildes sieht man eine Reihe von Figuren in verschiedenen Situationen, die das Thema Streit und Wut visualisieren, darunter Blitze, ausdrucksstarke Gesichter und aggressive Gesten. Rechts im Bild steht ein Mädchen mit Zöpfen, das weint und traurig aussieht, während im Hintergrund Menschen in verschiedenen emotionalen Zuständen zu sehen sind. Im unteren Teil des Bildes sitzt ein Mädchen ruhig mit einem Buch und Kopfhörern, umgeben von friedlichen Szenen, einschließlich einer ruhigen Katze. Das Bild vermittelt einen starken Kontrast zwischen der lauten, aggressiven Welt und einer stillen, friedlichen Umgebung.  Diese detaillierte Darstellung spiegelt die Geschichte "Die Schreihälse" wider, in der das Schreien in einer Familie zur Norm geworden ist, und zeigt die emotionale Belastung und den Wunsch nach Frieden und Normalität.


Ein Schreihals: lang und purpurrot,

mit Stolz trägt man ihn bis zum Tod.

In Claras Familie ist es kein Tabu,

im Gegenteil – er gehört dazu.


Der Vater und beide Brüder,

haben sehr hitzige Gemüter.

Jeder hatte im Alter von Acht,

die Wandlung schon vollbracht.


Es gab Streit, zu jeder Tageszeit.

Bald war die Mutter auch soweit.

Einst war sie mütterlich,

doch das änderte sich.


Der Druck von außen war zu groß,

es ging auch bei der Mutter los.

Sie fing an zu schreien,

konnte sich nicht mehr befreien.

Ihr Hals schwoll an und wurde rot.

Oh weh, welch große Not!


Seit diesem Tag, zur Tochter kein Wort;

als wäre die Mutter für immer fort.

Oft hatte Clara sich gewünscht,

das sie wenigstens mit ihr schimpft.

Die Söhne schrie sie immer an,

als hätte sie nie was anderes getan.


Seither ist es in der Familie Tradition,

es gehört gar zum „guten“ Ton.

Oft steigern sie sich richtig rein,

schreien muss ja gelernt sein!

Laut sollte die Stimme erklingen,

alles und jeden durchdringen.


Wenn die Ader am Hals pulsiert,

wird in Claras Familie ungeniert –

Gezetert! Geschrien! Getobt!

Nur dann wird man hochgelobt.


Die Gesichter sind voller Groll …

Schmerzvoll.

Qualvoll.

Leidvoll.

Viele Worte die beschreiben,

für Clara ein einsames Leiden.


Oft schnappt sie sich ein geliebtes Buch,

so verfliegt der schreckliche Fluch:

Sie dringt in andere Welten ein …

Hier kann sie sein …

So wie sie ist …

Und vergisst …


Es kann auch ohne schreien gehen,

dies hat Clara bei anderen gesehen.

Es ist aus der Mode gekommen,

viele haben sich besonnen

und begonnen –

anders miteinander zu reden,

dies verursacht weniger Schäden.


Freunde, haben sie lang nicht besucht.

Sie lästern, die Familie sei verflucht.

All diese Umstände steigern den Zorn.

Für Wut ist dies ein toller Ansporn.


Häufig platzt dem Vater der Kragen,

die Kleinste kann es kaum ertragen.

So schreit er sie mal wieder an,

weil er es nicht anders kann:

„KIND GLAUBE MIR – ICH SAGE DIR,

BRÜLL DIE LEUTE AN!

WEIL MAN NUR SO MIT DENEN REDEN KANN!

DUMMBATZEN! SPINNER!

CHARAKTERLOSE SCHWEINEBACKEN!

NICHTS BEKOMMEN DIE GEBACKEN!

ES SEI DENN DU HAUST AUF DEN TISCH,

ANDERS, VERSTEHEN DIE IDIOTEN ES NICH!“


„Aber lieber Papa, willst du nicht sehen –

auch ohne schreien, kann ich dich verstehen!

Ich will doch auch zu euch gehören,

aber würde es wirklich stören …

Wenn ich so bin, wie ich?

Sag Papa, liebst du mich so nicht?


Clara sieht den Vater flehend an,

ob dieser wirklich darauf antworten kann?


„LIEBE? MEIN KIND,

HAT NOCH NIEMANDEN WEITERGEBRACHT,

SO HABE ICH GEDACHT …“

schreit der Vater weiter ohne Bedacht.

„MEINE KINDER SOLLEN SCHREIHÄLSE SEIN,

STIMME NUN AUCH DU MIT EIN!

SEI STARK! ZEIG MACHT!

ZEIG WELCH FEUER EIN SCHREIHALS ENTFACHT!

DIESEN ZWERGENHIRNEN WERDEN WIR ES ZEIGEN!

DIE ANGST SOLL IN IHREN KÖPFEN BLEIBEN!“


Clara ist verwirrt,

der Vater hat sich verirrt.

Voller Aggression,

vergreift er sich im Ton.


So fragt sie – wie nur Clara es kann:

„Warum willst du Angst verbreiten?

Dir alles erstreiten?

Du bist ein großer, kluger Mann!

Auch leise – ohne Wut,

verstehen dich die Menschen gut.“


„GENUG! SEI STILL!

UND MACH WAS ICH WILL!

KINDER SOLLTEN AUF IHRE ELTERN HÖREN,

IMMER DIESER ÄRGER MIT EUCH GÖREN!

MORGEN, WILL ICH BEI DIR EINEN SCHREIHALS SEHEN,

WENN NICHT – DANN KANNST DU GERNE GEHEN!

IN DIESEM HAUS GEHÖRT ES SICH,

ALSO KIND, WEHR DICH NICH!


So stapft der Vater auch schon davon

und hat eigentlich nichts gewonnen.

Clara bleibt traurig zurück,

ganz allein mit diesem Unglück.


Wie soll sie sich bloß entscheiden?

Diese Frage lässt sich nicht vermeiden.


Das Mädchen liebt ihre Familie sehr,

ihr Herz wird bei den Gedanken schwer:

Will sie solch ein Leben führen?

Wo Streitigkeiten einen verführen.

Zorn und Wut, die einzigen Mittel sind.

Man ist für alles und jeden blind.

Nicht bereit, jemanden ins Herz zu lassen.

Letztendlich, ist man verflucht zu hassen.


Clara ist grad einmal Acht,

hat über sowas noch nie nachgedacht.

So grübelt sie her und hin,

es ergibt alles so wenig Sinn.


Mehrfach hatte sie bei ihren Brüdern Hilfe gesucht,

diese haben jedoch dann immer geflucht:

„OH MAN … ALTER … PIEPS NICHT SO LEISE,

ALS WÄRST DU SO EINE BLÖDE MEISE.

KEIN WORT VERSTEHT MAN BEI DIR,

WARUM BIST DU NICHT SO WIE WIR?

DU GEHST UNS MEGA AUF DIE NERVEN,

VATER SOLL DICH ENDLICH RAUSWERFEN!“


Darauf fiel Clara nichts mehr ein,

sie fühlte sich so unendlich allein.


So sucht sie Trost im geschriebenen Wort,

vielleicht findet sich die Antwort dort?

„ANLEITUNG ZUM GLÜCKLICHSEIN,

LERNEN SIE NOCH HEUTE SCHREIEN!“

Ein Schreihals: lang und purpurrot,

mit Stolz trägt man ihn bis zum Tod …

Okay, das war wohl das falsche Buch,

Auf diesem liegt gewiss ein Fluch.


Das Mädchen fängt nun doch an zu weinen.

Wie kann nur alles so ausweglos erscheinen?

Ganz plötzlich: ein Laut,

eine Stimme — Gänsehaut!

„Mein liebes Kind, ich liebe dich sehr …“

Was, Wie … Wo kommt das jetzt her?


Plötzlich steht die Mutter da.

Die Mutter, die sie früher einmal war.

Sie nimmt die Tochter in den Arm,

Clara fühlt sich sofort geborgen und warm.

„Mein liebes Kind ich liebe dich sehr!

Doch flieh und komm niemals mehr her!

Wir alle sind verflucht,

Geh mein Kind, bevor es dich heimsucht!“

„Aber Mama, du bist wieder du,

bist wieder hier,

bist wieder bei mir!“

„Clara mein Sonnenschein:

ich wünschte, es könnte wie früher sein.

Kein Wort, habe ich mehr zu dir gesagt,

denn ich wusste ich hatte versagt.

Wir alle haben einen Weg eingeschlagen …

wir sind am versagen und ich könnte nicht ertragen …

Clara für dich ist es noch nicht zu spät,

Du bist noch nicht von Wut und Zorn geprägt.

Geh mein Kind, meine Schwester wird für dich sorgen,

dort fühlst du dich sicher wohl und geborgen.

Wir anderen sind diesen Fluch erlegen,

ich will dich nicht länger gefährden.

Befindet sich der Zorn einmal im Herzen,

ist es schwer ihn auszumerzen.“


„Aber Mama ich kann euch doch unterstützen!“

„Clara, mein Liebes das würde nichts nützen!

Ein Wimpernschlag, eine Sekunde:

Vorbei war die klare Stunde.

Nun schrie die Mutter wieder,

dies ging durch Mark und Glieder.

„GEH JETZT! ES IST GENUG!

NIMM DEN NÄCHSTEN ZUG!

DEINE TANTE ERWARTET DICH,

UND KIND, SEI ARTIG!“


Ohne ein weiteres Wort,

war die Mutter wieder fort.


Noch am Abend fuhr Clara zur ihrer Tante,

vom Gemüt war diese eine ganz Entspannte.

Liebevoll! Sicher eine gute Frau,

das wusste das Mädchen genau.

Aus weiter Entfernung konnte sie das Schreien hören.

Das würde nun nicht mehr zu ihrem Leben gehören.

Clara hatte sich ein paar Bücher mitgenommen,

in einem Neuen zu lesen begonnen.

Dort stand etwas über die Heilung von Schreihälsen drin,

Sie sah das als Chance als Wissensgewinn.

Therapie wäre eine Möglichkeit?

Doch war die Familie dafür breit?




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